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Spezielle stetige Verteilungen

Normalverteilung

Die Gauß- oder Normalverteilung wurde von Carl Friedrich Gauß im Zusammenhang mit dem Ausgleich von Messergebnissen gefunden. Sie ist die wichtigste stetige Verteilung, weil viele Messgrößen oder Beobachtungen normalverteilt sind. Außerdem lassen sich viele Verteilungen gut durch die Normalverteilung approximieren. Weiterhin kommen bei statistischen Prüfverfahren oft Größen vor, die entweder direkt normalverteilt sind oder sich bei Grenzübergängen als normalverteilt beschreiben lassen.

Allgemeine Definition der Normalverteilung

Die Wahrscheinlichkeitsdichte der Gauß- oder Normalverteilung ist für - ∞ < x < ∞ definiert als

(4.207)

Eine Zufallsvariable x mit dieser Verteilung wird als normalverteilte Zufallsvariable bezeichnet. Sie besitzt die Parameter μ und σ. Bild 4.34 zeigt die Wahrscheinlichkeitsdichte der Normalverteilung mit einem Mittelwert von μ = 2 und verschiedenen Werten der Standard-abweichung σ.

Bild 4.34: Wahrscheinlichkeitsdichte f(x) für μ = 2 und σ = 0.25, 0.5 und 1 und Lage der Wendepunkte

Aus der Symmetrie der Verteilung ergibt sich, dass das Maximum der Verteilung für den Mittelwert μ erreicht wird. Je kleiner σ ist, desto schmaler ist die Verteilung und desto ausgeprägter ist ihr Maximum. Je größer σ ist, desto breiter ist die Verteilung. Der Abstand der Wendepunkte der Wahrscheinlichkeitsdichte von dem Mittelwert μ entspricht der Standardabweichung σ.

Die Verteilungsfunktion F(x) hat die Form

(4.208)

Die Verteilungsfunktion F(x) ist ein Integral, das sich nicht analytisch auswerten lässt. Die Berechnung wird numerisch ausgeführt, zum Beispiel durch die numerische Integration über die Wahrscheinlichkeitsdichte f(x) oder mittels einer Approximation durch eine Taylor-Reihe.

Bild 4.35 zeigt die Verteilungsfunktion F(x) der Normalverteilung für μ = 2 und verschiedene Werte der Standardabweichung σ.

Bild 4.35: Verteilungsfunktion F(x) für μ = 2 und σ = 0.25, 0.5

Für eine normalverteilte Variable x berechnet sich die Wahrscheinlichkeit P, innerhalb des Intervalls a < x ≤ b zu sein, aus

(4.209)

Standardisierte Normalverteilung

Die Verteilungsfunktion der Normalverteilung kann nicht mehr analytisch berechnet werden. Durch eine Standardisierung der Zufallsvariablen werden alle Varianten der Normalverteilung auf eine standardisierte Form abgebildet, deren Wahrscheinlichkeitsdichte und Verteilungsfunktion in Form von Tabellen beschrieben ist. Bei der rechnerunterstützten Auswertung von Daten haben diese tabellierten Werte an Bedeutung verloren. Aus Gründen der übersichtlicheren Darstellung und zur Vorbereitung der Rechnung mit Testverteilungen wird im Folgenden dennoch die standardisierte Normalverteilung eingeführt und für die weiteren Berechnungen eingesetzt. Bei der Standardisierung einer Verteilung wird analog zu Abschnitt 4.4.3 eine Standardisierung der Zufallsvariablen durchgeführt, sodass sie einen Mittelwert von μ = 0 und eine Standardabweichung von σ = 1 erreicht. Nach den Ausführungen in Abschnitt 4.4.3 führt die Standardisierung der normalverteilten Zufallsvariable x zu einer standardnormalverteilten Zufallsvariable z durch den Ausdruck

(4.210)

Dabei geht die Normalverteilung aus Gleichung (4.207) über in die Standardnormalverteilung mit μz = 0 und σz = 1. Die Dichtefunktion der standardisierten Normalverteilung vereinfacht sich damit gegenüber Gleichung (4.207) zu

(4.211)

Die zugehörige Verteilungsfunktion wird beschrieben durch

(4.212)

Die Wahrscheinlichkeitsdichte f(z) und die Verteilungsfunktion F(z) der Standardnormalverteilung ist in Bild 4.36 dargestellt.

Bild 4.36: Wahrscheinlichkeitsdichte f(z) und Verteilungsfunktion F(z) der Standardnormalverteilung

Für eine standardnormalverteilte Variable z berechnet sich die Wahrscheinlichkeit P, innerhalb des Intervalls a < z ≤ b zu sein, aus

(4.213)

Mit Gleichung (4.213) können die Aufenthaltswahrscheinlichkeiten für eine standardnormalverteilte Zufallsvariable z in symmetrischen Intervallen errechnet werden.

Tabelle 4.14: Aufenthaltswahrscheinlichkeiten für eine standardnormalverteilte Zufallsvariable z

Intervall Aufenthaltswahrscheinlichkeit
- 1⋅s < z ≤ 1⋅s ≈ 68.2689 %
- 2⋅s < z ≤ 2⋅s ≈ 95.4500 %
- 3⋅s < z ≤ 3⋅s ≈ 99.7300 %

 

Eine Abweichung vom Mittelwert um mehr als eine Standardabweichung ist etwa in einem von drei Fällen zu erwarten, eine Abweichung um mehr als drei Standardabweichungen nur in einem von 370 Fällen.

Beispiel: Zusammenhang zwischen Toleranzziel und Ausschuss bei der Fertigung

Als Beispiel für die Normalverteilung soll der Zusammenhang zwischen Toleranzziel und Ausschuss bei der Fertigung von Widerständen betrachtet werden. Von einem Fertigungslos von 10000 Widerständen sei bekannt, dass die Widerstandsverteilung als Normalverteilung mit dem Mittelwert μ = 998 Ω und einer Standardabweichung von σ = 5 Ω dargestellt werden kann. Es werden unterschiedliche Kunden beliefert. Kunde A fordert ein Toleranzziel von

(4.214)

Kunde B fordert ein Toleranzziel von

(4.215)

Für beide Kunden soll der Anteil von Ausschussteilen berechnet werden. Da die Widerstandswerte eine Normalverteilung
mit μ = 998 Ω und σ = 5 Ω besitzen, ergibt sich der Anteil von Ausschussteilen aus

(4.216)

Mit den Toleranzgrenzen von Kunde B ergibt sich

(4.217)

Für Kunde B ist der Ausschussanteil wegen des doppelt so großen Toleranzbereiches um mehr als zwei Größenordnungen geringer. Durch eine Zentrierung des Mittelwertes von μ = 998 Ω auf μ = 1000 Ω ließe sich der Ausschussanteil zudem auf 4.5 % beziehungsweise 63 ppm reduzieren.

Die Werte nach Gleichung (4.216) und (4.217) berechnen sich mit der folgenden MATLAB-Sequenz:

 

Entsprechend ergibt sich in Python: