Die Pole der Übertragungsfunktion eines stabilen Systems liegen in der negativen Halbebene. Je nach Lage der Nullstellen werden sogenannte minimalphasige und nichtminimalphasige Systeme unterschieden.
Zur Einführung des Begriffes minimalphasiger Systeme werden die Systeme mit den Übertragungsfunktionen
(9.162) |
und
(9.163) |
verglichen. Beide Systeme haben die Pole α1 = - 1 und α2 = - 2. Das Systems G1 besitzt die Nullstelle β1 = - 3 in der negativen Halbebene und das System G2 die Nullstelle β2 = 3 in der positiven Halbebene. Bild 9.55 stellt die Pol-Nullstellen-Diagramme der Systeme gegenüber.
Bild 9.55: Pol-Nullstellen-Diagramme der Systeme G1 und G2
Beide Systeme haben ausschließlich Pole in der negativen Halbebene und sind stabil, sodass sich die Frequenzgänge ergeben zu
(9.164) |
und
(9.165) |
Die Amplitudengänge der beiden Systeme sind identisch, während sich die Phasengänge
(9.166) |
und
(9.167) |
wegen der unterschiedlichen Nullstellenlage unterscheiden. Bild 9.56 stellt Amplituden- und Phasengang der Systeme dar.
Bild 9.56: Amplituden- und Phasengang Systeme G1 und G2
Das System G1 mit der Nullstelle in der negativen Halbebene weist eine deutlich kleinere Phase auf als das System G2, dessen Nullstelle in der positiven Halbebene liegt. Das in diesem Beispiel dargestellte Verhalten kann verallgemeinert werden. Es zeigt sich, dass Systeme, die ausschließlich Nullstellen in der negativen Halbebene besitzen, minimale Phasen aufweisen. Sie werden als minimalphasige Systeme bezeichnet. Das Beispiel zeigt außerdem, dass Systeme durch die Angabe ihres Amplitudengangs nicht eindeutig definiert sind. Zur eindeutigen Beschreibung müssen Amplituden- und Phasengang definiert sein.
Die Forderung nach Nullstellen in der negativen Halbebene entspricht der Forderung nach Invertierbarkeit, sodass alle invertierbaren Systeme minimalphasig und alle minimalphasigen Systeme invertierbar sind.
Mit einer negativen Phase wird eine Signalverzögerung verbunden. Demnach müsste das System G1 eine kleinere Signalverzögerung besitzen als System G2. Die Sprungantworten beider Systeme in Bild 9.57 bestätigen diese Vermutung. Minimalphasige Systeme zeichnen sich durch eine Systemreaktion mit möglichst geringer Verzögerung aus. Um die Wirkungsweise des nichtminimalphgasigen Systems G2(s) zu veranschaulichen, wird das System in ein minimalphasiges System G1(s) und ein Korrektursystem GK(s) zerlegt.
(9.168) |
Die Sprungantworten der beiden Systeme G1(s), G2(s) und GK(s) sind in Bild 9.57 dargestellt.
Bild 9.57: Zerlegung der Sprungantwort des nichtminimalphasigen Systems G2 in die Summe von einem minimalphasigen Systems G1 und einem Korrektursystem GK
Die Sprungantwort h1(t) des minimalphasigen Systems reagiert erwartungsgemäß schneller auf die Anregung als die Sprungantwort h2(t) des nichtminimalphasigen Systems. Beide Sprungantworten h1(t) und h2(t) schwingen auf denselben Endwert ein. Die Sprungantwort hK(t) des Korrektursystems GK(s) besitzt im Vergleich zu den Sprungantworten h1(t) und h2(t) eine vergleichsweise steil abfallende Flanke. Sie ist für das kurzeitige Abfallen und den langsamen Anstieg der Sprungantwort h2(t) verantwortlich.
[]♦