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Zusammengesetzte Übertragungsglieder

IT1-Glied

Das IT1-Glied ist über die die Differentialgleichung

(9.103)

beziehungsweise nach Integration

(9.104)

definiert. Die Konstante K wird als Verstärkung, die Konstante T > 0 wird als Zeitkonstante des Systems bezeichnet. Das Strukturbild der Regelungstechnik und die vereinfachte symbolische Darstellung sind in Bild 9.32 dargestellt.

Bild 9.32: Grafische Darstellung des IT1-Glieds, Strukturbild der Regelungstechnik und symbolische Darstellung

Ein IT1-Glied kann analog zu dem PT1-Glied aus elementaren Übertragungsgliedern aufgebaut werden. Das entsprechende Blockschaltbild ist in Bild 9.33 zu sehen. Auch die Reihenschaltung eines I- und eines PT1-Glieds führt zu einem IT1-Glied.

Bild 9.33: Kombination von elementaren Übertragungsgliedern zu einem IT1-Glied

Beschreibung im Zeitbereich

Die Sprungantwort des IT1-Glieds errechnet sich aus dem Integral der Sprungantwort eines PT1-Glieds zu

(9.105)

Sie beginnt an der Stelle t = 0 bei h(0) = 0 und konvergiert für t → ∞ zu der Asymptote

(9.106)

Die Sprungantwort des IT1-Glieds und ihre Asymptoten sind in Bild 9.34 gezeigt.

Bild 9.34: Sprungantwort eines IT1-Glieds

Aus dem Schnittpunkt der Asymptote mit der Zeitachse ergibt sich die Zeitkonstante T. Die Steigung der Asymptote entspricht dem Verstärkungsfaktor K. Beide Eigenschaften können zur grafischen Konstruktion der Sprungantwort oder zur Bestimmung der Parameter K und T bei gegebener Sprungantwort verwendet werden.

Das IT1-Glied ist ein Übertragungsglied ohne Ausgleich. Die Sprungantwort h(t) zeigt, dass die Ausgangsgröße bei konstanter Anregung für t→ ∞ linear ansteigt.

Übertragungsfunktion im Laplace-Bereich

Durch Transformation von Gleichung (9.103) in den Laplace-Bereich ergibt sich die Übertragungsfunktion

(9.107)

Die Übertragungsfunktion hat einen Pol an der Stelle s = - 1/T und einen Pol im Koordinatenursprung. Das Pol-Nullstellen-Diagramm ist in Bild 9.35 dargestellt.

Bild 9.35: Pol-Nullstellen-Diagramm eines IT1-Glieds

Da ein Pol auf der imaginären Achse liegt, ist das IT1-Glied grenzstabil.

Frequenzgang

Der Frequenzgang des IT1-Glieds ergibt sich aus dem Produkt von dem Frequenzgang eines I-Glieds und eines PT1-Glieds.

(9.108)

Damit errechnet sich der Amplitudengang a(ω) aus der Summe der Amplitudengänge von einem Integrierglied aI(ω) und einem PT1-Glied aPT1(ω).

(9.109)

Entsprechend gilt für die Phasengänge:

(9.110)

Amplitudengang a(ω) und Phasengang des IT1-Glieds sind in Bild 9.36 dargestellt.

Bild 9.36: Bode-Diagramm eines IT1-Glieds mit K = 1

Übergang zu elementaren Übertragungsgliedern

Aus dem IT1-Glied ergibt sich mit dem Grenzübergang T → 0 ein Integrierglied, denn es gilt:

(9.111)

Bei einem Grenzübergang T → ∞ kann die Zahl 1 in der Summe des Nenners wieder vernachlässigt werden. Es ergibt sich die Übertragungsfunktion

(9.112)

Das IT1-Glied geht für sehr große Zeitkonstanten T in die Reihenschaltung zweier Integrierglieder über.

Beispiele für IT1-Glieder

IT1-Glieder verhalten sich wie Integrierglieder, die eine zeitliche Verzögerung aufweisen. Die Verzögerung ergibt sich zum Beispiel aus dem Anlaufverhalten eines Motors, der ein Förderband antreibt. Die vom Förderband zurückgelegte Strecke ist das Integral der Motorumdrehungen. Ein frei fallender Körpers stellt ebenfalls ein IT1-System dar. Die Geschwindigkeit nimmt wie die Sprungantwort eines PT1-Glieds zu. Die zurückgelegte Strecke ist das Integral der Geschwindigkeit.

Beispiel: Druckgesteuertes Dosiersystem

In Fertigungsabläufen müssen Klebermengen reproduzierbar aufgetragen werden. Zur Dosierung werden unter anderem pneumatische Verfahren eingesetzt. Durch Druckbeaufschlagung einer Kartusche wird das zu dosierende Medium durch eine Dosiernadel aus der Kartusche gedrückt. Dabei ist die pro Zeiteinheit dosierte Masse proportional zum Druck, mit dem die Kartusche beaufschlagt wird.

Bild 9.37: Dosiereinheit mit pneumatischer Steuerung, Schematische Darstellung der Kartusche und komplette Einrichtung

Bei voller Kartusche weist die Anlage ein geringes Luftvolumen auf. Ein Druck kann schnell aufgebaut werden und das zu dosierende Material fließt aus der Dosiernadel. Bei leerer Kartusche wird der Druck aufgrund des größeren Luftvolumens langsamer aufgebaut, und es fließt bei gleicher Zeit weniger Volumen aus der Dosiernadel.

Bild 9.38: Druckaufbau und dosierte Klebermenge als Funktion der Zeit für eine volle Kartusche und eine leere Kartusche

Die dosierte Menge ist bei gleicher Ansteuerzeit abhängig von dem Füllstand der Kartusche. Da sich die Zeitkonstante T ändert, ist das System zeitvariant.